Dynamik von Drucktransmittern

Manuel Boller-Berger
03. September 2025

Ähnlich wie der immer schneller werdende Alltag, entwickeln sich auch die Anforderungen an unsere Drucksensoren beziehungsweise an das zu messende Medium. Bei vielen Anwendungen muss nicht nur genau, sondern auch schnell gemessen werden. Neben der Messgenauigkeit ist insbesondere das dynamische Verhalten des Sensors entscheidend. Vereinfacht gesagt: Wie lange dauert es, bis eine Druckänderung des Messmediums eine Signalveränderung am Sensorausgang zur Folge hat.

Häufig wird angenommen, dass Grenzfrequenz, Abtastrate oder ähnliche Kenngrössen der Elektronik die entscheidenden Parameter sind. In der Realität ist dies aber nur ein Teilaspekt. Um eine zuverlässige Aussage treffen zu können, muss das gesamte Sensorsystem betrachtet werden – vom Drucksensorkopf mit der ölgefüllten Druckaufnehmerkapsel und dem Gewinde, über den mittleren Teil mit der Elektronik, bis hin zur elektrischen Schnittstelle. Aus Sicht des Anwenders ist der Drucksensor wiederum nur ein Teil seines Gesamtsystems.

Wie schnell muss ein Sensor sein und was beeinflusst die Dynamik wirklich? In diesem Blog erfährst du, warum nicht nur die Elektronik, sondern der gesamte Sensoraufbau entscheidend ist. Ich zeige dir typische Anwendungen, in denen es auf jede Millisekunde ankommt, gebe Einblick in Testergebnisse und helfe dir dabei, den passenden Sensor für deine Anforderungen zu finden.

Kenngrössen rund um die Geschwindigkeit von Drucktransmittern

In technischen Datenblättern ist oft von Ansprechzeit, Bandbreite oder Abtastrate die Rede. Diese Werte sind jedoch nur dann aussagekräftig, wenn man sie im richtigen Kontext interpretiert.

Um die Dynamik eines Drucktransmitters zu beurteilen, helfen verschiedene physikalische und technische Kenngrössen.

Um die folgenden Begriffe zu verstehen, ist es wichtig, den theoretischen Unterschied zwischen analog und digital zu kennen, unabhängig von konkreter Elektronik oder Ausgangssignalen. Viele Begriffe können nämlich nicht direkt verglichen werden, da es sie nicht für beide Signalarten gibt, oder einfach keinen Sinn ergeben.

Analog vs. Digital

Analog bedeutet von der Wortherkunft her stetig und stufenlos. Es steht für ein wert- und zeitkontinuierliches Signal mit beliebig vielen, numerischen Daten mit unendlicher Anzahl an Werten, sprich es ist eine sehr hohe Dynamik möglich.

Digital bedeutet zählbar. In der Mathematik sind damit diskrete, abgestufte Werte (z. B. 0 und 1) als definierte Zahlen in endlicher Anzahl an Werten gemeint.

 

Kenngrössen auf dem Datenblatt

Im Wesentlichen sind auf KELLER Pressure Datenblätter vier Angaben zur Dynamik zu finden, die je nach Serie unterschiedlich ausgeprägt sind.
 

1. Aufstart-Zeit / Einschaltzeit

Beschreibt die Dauer zwischen dem Anlegen der Versorgungsspannung und dem Zeitpunkt, ab dem der Sensor ein gültiges Ausgangssignal liefert.

Sie ist relevant bei Systemen, die an- und ausgeschaltet werden, um Energie zu sparen. (Angabe auf dem Datenblatt, typische Zeit bezogen auf 0…99 %)

 

2. Grenzfrequenz / Bandbreite (fg = -3 dB-Punkt) [Hz]

Gibt an, bis zu welcher Frequenz Druckänderungen mit maximal 3 dB Dämpfung (≈70 % der Amplitude) übertragen werden können. Oberhalb dieser Frequenz wird das Signal zunehmend gedämpft. Das System wirkt wie ein Tiefpass-Filter.

Die Bandbreite ist ein typisches Merkmal analoger Systeme und nicht mit der Abtastrate bei digitalen Systemen zu verwechseln. Beispiel: Ein piezoresistiver Sensor hat eine Grenzfrequenz von > 10 kHz, die Elektronik (z. B. HB-Line) geht bis 60 kHz, wobei der effektive Nutzbereich je nach Produkt deutlich geringer sein kann.

3. Abtastrate (Sample Rate) [SPS, Hz]

Gibt an, wie häufig ein Signal pro Sekunde intern erfasst und verarbeitet wird. Auf unseren Datenblättern ist dieser Wert als «interne Messrate» zu finden und wird typischerweise in Hz oder SPS (Samples per Second) angegeben.

Hinweis: Bei analogen Ausgängen ist die Grenzfrequenz entscheidend, bei digitalen Ausgängen die Abtastrate.

Besonders hervorzuheben ist die X-Line, da sie sowohl analoge als auch digitale Schnittstellen unterstützt. Je nach gewähltem Ausgangssignal sind somit beide Werte auf dem Datenblatt zu finden.

 

4. Resonanzfrequenz

Die Frequenz, bei der das Sensorsystem in Eigenschwingung gerät. Liegt die Anwendung nahe an dieser Frequenz kann es zu ungewünschten Oszillationen, Signalverfälschungen oder sogar mechanischer Überlastung kommen.

Die Resonanzfrequenz hängt massgeblich vom mechanischen Aufbau, insbesondere der Membrane, Ölfüllung und dem Druckanschluss ab.

 

Weitere Kenngrössen

Die folgenden Begriffe können für die Dynamik von Sensoren wichtig sein, werden aber nicht auf allen Datenblättern explizit ausgewiesen. 

 

Ansprechzeit / Response Time

Beschreibt die Zeitspanne (z. B. t63 oder t90), die ein Sensor benötigt, um nach einem Drucksprung (einer sogenannten Sprungantwort) einen definierten Prozentsatz des Endwerts (z. B. 63 %, 90 % oder 99 %) zu erreichen.

Bei analogen Sensoren mit «schneller» Elektronik (z.B. HB-Elektronik) liegt die Ansprechzeit typischerweise unter 10 µs. Digitale Systeme wie beispielsweise die X-Line benötigen hingegen etwa 2 bis 4 ms, abhängig vom gewählten Ausgangssignal.

 

Totzeit / Delay

Verzögerung zwischen einer realen Druckänderung am Eingang und der ersten erkennbaren Reaktion am Ausgang. Bei rein analogen Sensoren ist die Totzeit vernachlässigbar, weil in Echtzeit gemessen wird. Bei digitalen Sensoren ist die Totzeit ein Teil der Ansprechzeit und wird nicht als Einzelwert angegeben.

Abgrenzung Bandbreite Sensor vs. Abtastrate Elektronik

Gerade bei digitalen Systemen wird oft angenommen, dass eine hohe Abtastrate automatisch hohe Dynamik bedeutet. Diese Annahme ist jedoch nur teilweise korrekt. Die Bandbreite vom Sensor definiert, welche Druckverläufe überhaupt erfasst werden können, während die Abtastrate angibt, wie oft ein Signal abgetastet, oder besser intern erfasst, wird. Ein schneller Analog-Digital-Wandler nützt nichts, wenn die mechanischen Komponenten nicht mithalten können – und umgekehrt.

Die genannten Begriffe beschreiben, wie schnell und wie verlässlich ein Drucktransmitter auf Änderungen reagieren kann. Sie sollten jedoch immer im Zusammenspiel betrachtet werden.

Typische Anwendungen mit hoher Anforderung an die Messdynamik

In bestimmten Anwendungen spielt die Dynamik des Drucktransmitters eine zentrale Rolle.

 

Hydrauliksysteme

In mobilen und stationären Hydraulikanwendungen kommt es auf schnelle Druckrückmeldungen bei Lastwechseln und Ventilbewegungen an. Hier sind insbesondere analoge Transmitter mit hoher Bandbreite und minimaler Totzeit gefragt. Je kleiner die Totzeit, desto schneller kann der Sensor Rückmeldung liefern und beispielsweise Ventile ansteuern. Eine zu grosse Totzeit führt zu verzögerten Reaktionen oder instabilem Verhalten des Regelkreises.

Unsere rein Analog- und ​Y-Line-Produkte bieten mit Bandbreiten bis in den kHz-Bereich die nötige Dynamik. Durch den robusten Aufbau und die gute Entlüftungsmöglichkeit (z. B. bei G1/4 frontbündig) eignen sie sich besonders gut für pulsierende Systeme.

Prüfstandstechnik

Bei der Charakterisierung und Prüfung von Pumpen oder Ventilen muss der Druckverlauf in Echtzeit erfasst werden, inklusive schneller Anstiegs- und Abfallzeiten. Mit ihrer analogen Signalverarbeitung und Bandbreiten von bis zu 20 kHz ist die HB-Line ideal geeignet für diese Aufgaben. Die hohe Signalqualität und geringe Latenz ermöglichen eine präzise Analyse selbst kurzer Druckspitzen (mehr dazu in unserem Blog Druckspitzen in geschlossenen Systemen). In Kombination mit kompakten Aufnehmern sind auch komplexe Testaufbauten realisierbar.

Insbesondere in Forschung oder Qualitätskontrolle (z.  B. Dichtheitsprüfungen) ist die vollständige Erfassung eines dynamischen Druckverlaufs entscheidend. Eingesetzte Sensoren müssen schnelle und rauscharme Signale liefern können.

Wasserstoffanwendungen (H2):

Beim Betankungsprozess von H2-Fahrzeugen treten innerhalb weniger Sekunden hohe Druckanstiege und Druckspitzen bei Start oder Stopp des Betankens, sogenannte Transienten, auf. Um diese zuverlässig zu erfassen, sind schnelle piezoresistive Transmitter mit robustem Aufbau erforderlich. Dank ölgefüllter Druckaufnehmer und hoher Messdynamik lassen sich auch Sicherheitsfunktionen und Algorithmen zur Fehlererkennung zuverlässig umsetzen.

Einflussfaktoren auf die Dynamik

Um zu untersuchen, was unsere Sensoren verlangsamt, wurden mit einem externen Labor praxisnahe Tests an verschiedenen Sensoraufbauten durchgeführt. Folgende Punkte haben einen direkten Einfluss auf die Dynamik unserer Sensoren:

 

Entlüftung ist entscheidend

Die wichtigste Erkenntnis aus den Flüssigkeitstests: Luftblasen im System sind der grösste Dynamik-Killer. Besonders bei ölgefüllten Systemen beeinflusst bereits eine kleine Restluftmenge die Sprungantwort deutlich. Druckaufnehmer wie diejenigen der Serie M5 oder ein frontbündiger G1/4 Prozessanschluss zeigten in den Tests deshalb besonders gute Ergebnisse, denn sie lassen sich zuverlässig entlüften.

 

Elektronik macht den Unterschied, aber nicht allein

Der Vergleich zweier Elektroniken (HB-Elektronik mit 60 kHz Bandbreite vs. Elektronik mit 1.2 kHz) belegt deutlich: Die HB-Elektronik kann hochfrequente Anteile im Druckverlauf sichtbar machen, die bei der langsameren Elektronik verloren gehen. Aber: Die Elektronik kann nur weitergeben, was der Sensor mechanisch überhaupt durchlässt.

Wie wählt man den geeigneten Sensor aus?

Beim Kauf eines Sensors reicht ein einzelner Datenblattwert selten aus. Stattdessen lohnt sich eine strukturierte Bewertung.

  1. Welche Dynamik ist tatsächlich gefordert?
    Reichen t90 = 10 ms oder braucht es eine Systemantwort von < 1 ms?
  2. Wo liegt die Dynamikschwachstelle im geplanten Aufbau?
    Lange Leitungen, Filterscheiben oder viskose Medien können die Vorteile eines schnellen Sensors zunichtemachen.
  3. Was ist wichtiger: Bandbreite oder Abtastrate?
    Bei analogen Ausgängen zählt die Bandbreite bzw. Grenzfrequenz. Bei digitalen Systemen ist die Abtastrate entscheidend, aber nur innerhalb der vorhandenen Bandbreite sinnvoll.
  4. Welche Produktlinie erfüllt die Systemanforderungen?
    Für hochdynamische, analoge Systeme: rein analog, HB-Line (zum Beispiel M5HB)
    Für genaue digitale Anwendungen mit hoher Sample Rate: X-Line
    Für analoge Anwendungen mit hoher Bandbreite: Y-Line, C-Line
    Für einfache Anwendungen mit geringer Dynamik: D-Line

Kernaussagen im Überblick

Dynamik verstehen heisst Systeme verstehen. Die Dynamik eines Drucktransmitters ist keine fixe Eigenschaft, sie ergibt sich aus dem Zusammenspiel vieler Komponenten. Zwar können moderne piezoresistive Drucksensoren mit optimierter Elektronik (z. B. HB-Line) sehr schnelle Reaktionen bieten, doch entscheidend ist immer das Gesamtsystem:

 

 

Jedes Glied in dieser Kette kann die Dynamik begrenzen. Meistens ist es nicht die Elektronik, sondern die mechanisch-fluidische Kopplung.

Wer Begriffe wie Bandbreite, Sample Rate, Ansprechzeit, Totzeit und Sprungantwort richtig einordnet, kann gezielt den passenden Sensor auswählen und unerwartete Performanceprobleme vermeiden.

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